4. Desinfektion (Aufbereitung in mikrobiologischer Hinsicht)

Unter Trinkwasserdesinfektion im Sinne dieses Kapitels versteht man die irreversible Inaktivierung von jenen Mikroorganismen, die durch den Verzehr des damit verunreinigten Wassers Erkrankungen verursachen können. Die Desinfektionsverfahren und -bedingungen müssen so gewählt werden, dass eine Reduktion dieser Krankheitserreger (pathogener Mikroorganismen) von zumindest 4 log-Stufen (Faktor 10.000) zu erwarten ist.

Die in diesem Kapitel angeführten Desinfektionsverfahren und -bedingungen gelten für native und aufbereitete Wässer, die bereits chemisch und physikalisch den Anforderungen der TWV und dem Anhang 3 dieses Kapitels entsprechen.

Es ist zu beachten, dass eine Trübung des Wassers die Wirksamkeit der Desinfektionsverfahren (Chlorung, Behandlung mit Chlordioxid, Ozonung, UV-Bestrahlung) vermindern kann. Bei Wasservorkommen, bei denen das Auftreten von Trübungen temporär oder dauerhaft zu erwarten ist, wird empfohlen, durch eine befristet eingesetzte „on-line Messung“ der Trübung die Charakteristik des Wasservorkommens zu untersuchen. Bei auffälligen Werten für die Trübung, jedenfalls bei Überschreitungen eines Wertes von 1 NTU, ist zu prüfen, ob bzw. welche Maßnahmen notwendig sind, um eine zuverlässige Desinfektion zu gewährleisten.

Solche Maßnahmen können z. B. sein:

  • kontinuierliche Messung der Trübung und Ausleiten des Wassers bei Überschreitung eines für den konkreten Fall festgelegten Wertes für die Trübung,
  • ein vorgeschaltetes mechanisches oder physikalisches Aufbereitungsverfahren (z. B. Flockungsfiltration, Filtrations- oder Membranverfahren).

Bei stärker belasteten Wässern (z.B. Oberflächenwasser) sind der Desinfektion geeignete Aufbereitungsverfahren vorzuschalten, die auf die jeweiligen spezifischen Probleme abgestimmt sind.

Besteht bei einem Wasser der begründete Verdacht der Anwesenheit von auf Menschen durch Verschlucken übertragbaren Parasiten (Protozoen, Würmer), so sind im Rahmen der Aufbereitung und Desinfektion nötigenfalls mehrstufige Systeme vorzusehen, z.B. Kombinationen geeigneter mechanischer, physikalischer und chemischer Verfahren.

Für die Trinkwasserdesinfektion sind folgende Verfahren zulässig:

  • Chlorung mit Natrium-, Kalium-, Calcium- oder Magnesiumhypochlorit
  • Chlorung mit Chlorgas
  • Behandlung mit Chlordioxid
  • Ozonung
  • UV-Bestrahlung

Die Wirksamkeit der Maßnahme ist durch routinemäßige Kontrollen vor und unmittelbar nach Abschluss der Desinfektion zu überprüfen. Dabei sind jeweils auch die Parameter Pseudomonas aeruginosa und Clostridium perfringens in die Untersuchung aufzunehmen. Zur direkten Vergleichbarkeit der Ergebnisse wird empfohlen, die Untersuchung auf Indikatorbakterien auch im Wasser vor der Desinfektion in einem Probevolumen von 250 ml durchzuführen.

Als vorübergehende Notmaßnahme kann das Wasser abgekocht werden, wobei die Siedetemperatur zumindest 3 Minuten lang einzuhalten ist.

Zur Objektdesinfektion kann auch Chlorkalk eingesetzt werden.

Bei der Desinfektion mit Hypochloritlösungen oder Chlorgas (Verfahren der Chlorung) darf nach einer Reaktionszeit von mindestens 30 Minuten eine Restkonzentration an freiem Chlor (angegeben als Cl2) von 0,3 mg/l Cl2 nicht unterschritten und von 0,5 mg/l Cl2 nicht überschritten werden. Bei Abgabe an den Abnehmer bzw. Verbraucher beträgt die zulässige Höchstkonzentration an freiem Chlor in der Regel 0,3 mg/l Cl2.

Bei der Chlorung von huminstoffreichen Trinkwässern ist auf die mögliche Bildung von leichtflüchtigen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen zu achten.

Für Wässer mit einem Ammoniumgehalt von über 0,2 mg/l NH4 stellt die Chlorung wegen der möglichen Bildung von Nitrit kein geeignetes Verfahren dar.

Bei der Desinfektion mit Chlordioxid (angegeben als ClO2) beträgt die Zugabe mindestens 0,2 mg/l ClO2 und höchstens 0,4 mg/l ClO2. Eine Mindestreaktionszeit von 15 Minuten ist einzuhalten, wobei auf ausreichende Durchmischung zu achten ist. Nach der Reaktionszeit muss jedenfalls eine Restkonzentration von mindestens 0,05 mg/l ClO2 nachweisbar sein.

Bei Abgabe an den Abnehmer bzw. Verbraucher beträgt die zulässige Höchstkonzentration des bei diesem Verfahren entstehenden, unerwünschten Nebenproduktes Chlorit 0,2 mg/l.

Ergeben die technischen Einrichtungen nachweislich eine längere Reaktionszeit und zeigen die laufenden mikrobiologischen Untersuchungen die Einhaltung der Anforderungen an desinfiziertes Trinkwasser, kann die Restkonzentration an freiem Chlor bzw. Chlordioxid auch geringer sein als oben angeführt. Nach dieser verlängerten Reaktionszeit muss jedenfalls eine Restkonzentration von mindestens 0,05 mg/l angegeben als Cl2 nachweisbar sein.

Bei einer notwendigen Zugabe von Desinfektionsmittel (Chlorung oder Behandlung mit Chlordioxid) am Transportweg zur Aufrechterhaltung der einwandfreien mikrobiologischen Beschaffenheit eines Wassers muss das Desinfektionsmittel so zudosiert werden, dass es an den Endstellen noch nachweisbar ist. Bei Abgabe an den Abnehmer bzw. Verbraucher darf die jeweilige zulässige Höchstkonzentration an Desinfektionsmittel bzw. Desinfektionsmittelnebenprodukten nicht überschritten werden.

Die Hochchlorung darf zur Desinfektion und Reinigung von Einrichtungen der Wasserversorgungsanlage angewandt werden. Dabei sind unter Berücksichtigung der Materialverträglichkeit auch hohe Chlorgehalte im Wasser zulässig, wobei dieses unter Wahrung des Arbeitnehmerschutzes und des Schutzes der Umwelt abgeleitet werden muss und nicht an den Abnehmer bzw. Verbraucher abgegeben werden darf.

Bei der Desinfektion mit Ozon muss die Ozonzugabe so eingestellt bzw. geregelt werden, dass nach einer Reaktionszeit von mindestens 4 Minuten noch eine Restkonzentration von mindestens 0,1 mg/l Ozon (angegeben als O3) nachzuweisen ist. Auf die ausreichende Durchmischung ist zu achten. Die Restkonzentration an Ozon ist durch eine kontinuierliche Messung (z.B. über das Redoxpotential) zu überwachen. Bei Abgabe an den Abnehmer bzw. Verbraucher beträgt die zulässige Höchstkonzentration 0,05 mg/l O3. Dies muss gegebenenfalls durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt werden.

Bei der Desinfektion huminstoffhältiger Wässer mit Ozon entstehen Reaktionspro-dukte, die eine Nachverkeimung des Wassers fördern können. Bei einem Kaliumper-manganatverbrauch von über 6 mg/l (angegeben als KMnO4) bzw. einem TOC-Gehalt von über 2,5 mg/l ist die Desinfektion mit Ozon ohne vorgeschaltete Aufbereitung kein geeignetes Desinfektionsverfahren.

Bei Anwesenheit von Bromid im Trinkwasser kann es zur Bildung von Bromat kommen.

Bei Vorliegen von seuchenhygienisch besonders kritischen Verhältnissen kann es erforderlich sein, vorübergehend verstärkte Desinfektionsbedingungen einzusetzen.

Bei der Desinfektion durch UV-Bestrahlung muss eine reduktionsäquivalente Fluenz (Dosis) von mindestens 400 J/m2 bezogen auf eine Wellenlänge von 253,7 nm angewandt werden.

Bei UV-Desinfektionsanlagen mit Quecksilberdampf-Niederdruckstrahlern, deren zulässiger Betriebsbereich durch eine Typprüfung gemäß ÖNORM M 5873-1 (2001), bzw. bei UV-Desinfektionsanlagen mit Quecksilberdampf-Mitteldruckstrahlern, deren zulässiger Betriebsbereich durch eine Typprüfung gemäß VORNORM ÖNORM M 5873-2 (2003), verifiziert wurde und deren zulässiger Betriebsbereich durch eine ÖVGW-Qualitätsmarke zertifiziert ist, kann innerhalb dieses Betriebsbereiches die Einhaltung der erforderlichen Desinfektionsbedingung vorausgesetzt werden.

Im laufenden Betrieb müssen die Parameter des zulässigen Betriebsbereiches eingehalten werden, diese sind:

  • Mindest-Referenzbestrahlungsstärke (W/m²), Ablesung an der Anzeige des Anlagenradiometers (Sensor)
  • Wasserdurchfluss
  • UV-Durchlässigkeit des Wassers (253,7 nm; 100 mm Schichtdicke

Die Funktionskontrolle der UV-Anlage erfolgt durch Vergleich der zertifizierten Betriebsbedingungen (ÖVGW Qualitätsmarke) mit den vor Ort auftretenden Bedingungen.

Bei Unterschreitung der Mindest-Referenzbestrahlungsstärke bzw. der Mindest-UV-Durchlässigkeit des Wassers muss durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass kein nicht sicheres Trinkwasser an den Abnehmer bzw. Verbraucher abgegeben wird (z.B. durch Unterbrechen des Wasserdurchflusses).

Als Grundvoraussetzungen für die Verwendung von Desinfektionsmitteln gilt, dass nur Stoffe eingesetzt werden dürfen, die den Zulassungsbedingungen nach dem Biozid-Produkte-Gesetz – BiozidG, BGBl. I Nr. 105/2000 idgF, entsprechen.

Die Zulässigkeit von nicht angeführten Desinfektionsverfahren kann durch die Codexkommission nach Vorliegen entsprechender Sachverständigengutachten festgestellt werden.

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