1.4 Ergänzungen zu den allgemeinen Anforderungen

  1. Chemische Anforderungen
    Eine Voraussetzung für die Herstellung von sicheren Gebrauchsgegenständen ist die aus-schließliche Verwendung von risikobewerteten Stoffen bzw. Materialien. Diese Bewertung umfasst auch bekannte Verunreinigungen, Reaktions- und/oder Abbauprodukte sowie eine Risikoabschätzung aufgrund der vorhersehbaren Verwendung. Dies ist vom Hersteller oder von der Herstellerin bzw. vom Importeur oder von der Importeurin anhand international anerkannter wissenschaftlicher Methoden1 einer Risikobewertung durchzuführen, zu dokumentieren und auf Verlangen den Behörden zur Verfügung zu stellen.

    Eine anerkannte Risikobewertung ist bereits vorhanden, wenn der Stoff oder das Material gemäß den anwendbaren Bestimmungen der EU oder eines europäischen Mitgliedstaates zugelassen ist.

    Die Verwendung von Stoffen, welche gemäß Anhang I Abschnitte 3.5, 3.6 und 3.7 der Ver-ordnung (EG) Nr. 1272/2008 als „krebserregend“, „mutagen“ oder „reproduktionstoxisch“ (CMR) eingestuft sind, ist ausschließlich auf Basis von Zulassungen und unter Einhaltung da-mit verbundener, festgelegter Beschränkungen erlaubt. Handelt es sich hierbei um Verun-reinigungen, Reaktions- und/oder Abbauprodukte, so dürfen diese in technisch nicht ver-meidbaren Mengen enthalten sein, sofern sie für die Verbraucher:innen nachweislich kein Risiko darstellen. Dies ist in den Konformitätsunterlagen ausreichend zu belegen.

    Gebrauchsgegenstände dürfen keine Stoffe enthalten, welche die Kriterien gemäß Art. 57 der Verordnung (EG) 1907/2006 erfüllen und im Anhang XIV „Verzeichnis der zulassungs-pflichtigen Stoffe“ gelistet sind. Hiervon ausgenommen sind Stoffe, für welche die angeführ-ten Ausnahmen in der Spalte „ausgenommene Verwendungen oder Verwendungskatego-rien“ anwendbar sind oder andere anwendbare, rechtsverbindliche Zulassungen existieren (z. B. gemäß Verordnung (EU) Nr. 10/2011; REACH).

    Die Anforderungen zu allergenen Duftstoffen gemäß Anhang II, Unterkapitel III Abs. 11 der Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug sind sinngemäß für alle Gebrauchsgegenstände anzuwenden.

    Für die Abschätzung von Gefahren und Risiken ist die für dieses Produkt vulnerabelste Ver-braucher:innengruppe zu berücksichtigen.
  2. Physikalische und mechanische Anforderungen
    Sichere Gebrauchsgegenstände erfüllen die physikalischen und mechanischen Anforderun-gen, welche für diese anwendbar sind und in spezifischen Verordnungen, Richtlinien, techni-schen Leitlinien, nationalen Empfehlungen (bspw. in diesem Codexkapitel) oder einschlägi-gen Normen (z. B. für Spielzeug) festgelegt sind.

    Gebrauchsgegenstände, für welche keine spezifisch geregelten physikalischen oder mecha-nischen Anforderungen existieren sind:
    • derart zu gestalten und herzustellen, dass bei normaler oder vernünftigerweise vor-hersehbarer Verwendung keine Gesundheitsschädigung von ihnen ausgeht
    • auf Basis des PSG Risiko bewertet.

    Für die Abschätzung von Gefahren und Risiken ist die für dieses Produkt vulnerabelste Ver-braucher:innengruppe zu berücksichtigen.
  3.  Mikrobiologische Anforderungen
    Sichere Gebrauchsgegenstände erfüllen die mikrobiologischen Anforderungen, welche für diese in spezifischen Verordnungen, Richtlinien, technischen Leitlinien, Empfehlungen oder einschlägigen Normen festgelegt sind.

    Gebrauchsgegenstände, für welche derzeit keine spezifischen mikrobiologischen Anforde-rungen existieren:
    • Produkte für die einmalige Verwendung sind frei von pathogenen Keimen und nicht mikrobiologisch verunreinigt (< 30 KBE/25 cm²)
    • sind derart hergestellt, dass sie bei bestimmungsgemäßer Einmalverwendung mikro-biologisch unauffällig sind
    • sind derart gestaltet (designed), dass sie bei bestimmungsgemäßer Wiederverwen-dung leicht zu reinigen und erforderlichenfalls desinfizierbar sind
    • enthalten nötigenfalls Anleitungen zur Reinigung bzw. Desinfektion
    • begünstigen bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung kein Wachstum von Mikroorganismen.
  4. Eignung für den bestimmungsgemäßen Gebrauch
    Der bestimmungsgemäße Gebrauch eines Gegenstandes setzt die Beachtung aller Herstel-ler:innenangaben voraus, sofern diese nicht im klaren Widerspruch zur Verbraucher:innenerwartung stehen.

    Bei Hersteller:innenangaben handelt es sich beispielsweise um Kennzeichnungshinweise zur sicheren und sachgemäßen Verwendung und um beigefügte Verwendungsanleitungen. Zu-sätzlich ist häufig auch schon aus der Produktbezeichnung (Kochlöffel, Vorratsdose etc.) die Bestimmung des Gegenstandes ableitbar.

    Bei den Hersteller:innenangaben und auch der Beurteilung der Verbraucher:innenerwartung sind nicht nur sicherheitsrelevante Aspekte, sondern auch solche zur generellen Verwend-barkeit des Gegenstandes zu berücksichtigen.

    Bei der praktischen Beurteilung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs werden insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt:
    • technische Funktionalität: Dichtheit, Druckbeständigkeit, Temperaturbeständigkeit, Geschirrspüleignung, Vollständigkeit von Spielzeugbaukästen, physikalische/mechanische/chemische Materialbeständigkeit
    • Reinigbarkeit von Gegenständen, sofern sie nicht ausschließlich für die einmalige Verwendung vorgesehen sind
    • sensorische Mängel des Gegenstandes (Geruch, Partikel, Verunreinigungen, Abfär-bung, visuell erkennbare Beschädigungen)
    • unvertretbare mikrobiologische Verunreinigungen, die nicht gesundheitsschädlich sind und keinen weiteren spezifischen Regelungen unterliegen.
  5. Die gewerbliche Verwendung von Gebrauchsgegenständen über die vom Hersteller bzw. der Herstellerin deklarierte Anwendungen hinaus, ist nur zulässig, wenn zuvor die Sicherheit und Eignung für diese Anwendungen unter Berücksichtigung aller rechtlicher Anforderungen überprüft, festgestellt und dokumentiert wurde. Das gilt beispielsweise für die Wiederver-wendung von Einwegverpackungen in der Gastronomie (z. B. Eiscremewannen zum Aufbe-wahren und Aufwärmen von Speisen).
  6. Kennzeichnung
    Die Kennzeichnungsanforderungen für einzelne Kategorien von Gebrauchsgegenständen sind sehr unterschiedlich geregelt und werden im jeweils zutreffenden Unterkapitel beschrieben.

    Eine mangelhafte Kennzeichnung von Gebrauchsgegenständen (z. B. Fehlen von Hinweisen zur sicheren Verwendung) kann bewirken, dass die allgemeinen Anforderungen an die Si-cherheit nach § 16 Abs. 1 des LMSVG nicht erfüllt sind.

    Die Kennzeichnung hat in deutscher Sprache und/oder mit Hilfe von leicht verständlichen Piktogrammen zu erfolgen und muss deutlich sichtbar, leicht lesbar und – soweit möglich – dauerhaft am Gebrauchsgegenstand angebracht werden. Ist dies auf Grund der Größe oder Art des Gebrauchsgegenstandes nicht möglich, kann diese auch auf der Verpackung oder den beigefügten Unterlagen angebracht werden.
    Hinweise zu einer sicheren und sachgemäßen Verwendung sollten vor allem bei Gegenstän-den für den Mehrfachgebrauch permanent gekennzeichnet sein oder in einer dem Produkt beigefügten Gebrauchsanweisung jederzeit nachlesbar sein. Falls sich diese Hinweise aus-schließlich auf der Verpackung finden, so ist der:die Verbraucher:in darauf aufmerksam zu machen, dass er:sie aus diesem Grund die Verpackung sorgsam aufbewahren soll.

    Die Anschrift des Unternehmens muss der physischen Anschrift entsprechen und die postali-sche Zustellbarkeit von Anfragen bzw. Kontaktaufnahme gewährleisten. Sie kann durch eine Internetadresse ergänzt werden.
  7. Zur Irreführung und Täuschung geeignete Werbeaussagen
    Das Codexkapitel A 3 „Allgemeine Beurteilungsgrundsätze des österreichischen Lebensmit-telbuches“, Unterkapitel 8 „Zur Irreführung geeignete Angaben“ und die Verordnung (EU) Nr. 655/2013 „zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln“ sind sinngemäß auch für Gebrauchsgegen-stände anzuwenden.

    Daher umfasst dieser Abschnitt sämtliche Werbeaussagen in Form von Texten, Bezeichnun-gen, Marken, Abbildungen und anderen bildhaften oder nicht bildhaften Zeichen bei der Kennzeichnung, beim Inverkehrbringen, bei der Bereitstellung auf dem Markt und in der Werbung. Die Eignung zur Irreführung und Täuschung bezieht sich also auf alle Werbeaussa-gen, unabhängig davon, welches Medium oder Marketinginstrument genutzt wird, welche Funktionen des Produkts Gegenstand der Aussagen sind und welche Zielgruppe angespro-chen wird.

    Im Besonderen wird auf den Anhang der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 verwiesen, in wel-chem gemeinsame Kriterien für Formulierungen von Werbeaussagen in Bezug auf kosmeti-sche Mittel ausgearbeitet wurden. Diese können entweder direkt oder sinngemäß auch für Werbeaussagen im Zusammenhang mit Gebrauchsgegenständen angewandt werden.

 

1 Note for guidance for the preparation of an application for the safety assessment of a substance to be used in plastic food contact materials:
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2008.21r;
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2011.2379;

https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2017.5113.

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