1.12 Bedeutung des Österreichischen Lebensmittelbuches

Die Beurteilung der Wirkung einer Werbeaussage auf die angesprochenen Verkehrskreise (und damit ihre Eignung, diese irrezuführen) in Fällen, in denen - wie hier - die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen unterliegt der rechtlichen Beurteilung durch den Richter (Fitz/Gamerith Wettbewerbsrecht2 24; MR 1995, 189 - Österreichs größte Qualitätszeitung; ÖBl 1998, 41 - Inserate-Kombischaltung). Dem steht jedoch nicht entgegen, daß die Bestimmungen des Österreichischen Lebensmittelbuches bei ihrer Beurteilung berücksichtigt werden. (OGH vom 20.10.1998, 4Ob268/98k)

Das ÖLMB ist ein objektiviertes, als Beweismittel besonderer Art zu würdigendes, jedoch keineswegs unwiderlegbares Sachverständigengutachten, welches die Meinung der am Verkehr mit Lebensmitteln beteiligten Kreise (Erzeuger, Händler und Verbraucher) und auch die der Behörden widerspiegelt und damit insbesondere auch die konkrete Verbrauchererwartung wiedergibt; der Gegenbeweis einer von den Richtlinien des Kapitels B 17 abweichenden oder ihnen widersprechenden Verbrauchererwartung wäre also nicht ausgeschlossen.

Es wissen zwar die österreichischen Konsumenten mit dem ihnen weitestgehend unbekannten Grenzwert von 1 g fester Stoffe in 1 kg Wasser 'nur wenig anzufangen'; sie wissen aber sehr wohl, daß der Gehalt an ('richtigen') Mineralstoffen dafür bestimmend ist, ob sie 'ein Wasser als Mineralwasser erleben'. Gerade das Fehlen konkreter Vorstellungen über Art und Menge solcher Bestandteile nötigt ihn dazu, auf die Richtigkeit der für das jeweilige Produkt verwendeten Bezeichnung zu vertrauen; er wird deshalb im allgemeinen davon ausgehen, daß die Beschaffenheit der Ware und insbesondere ihre stoffliche Zusammensetzung jenen Anforderungen entspricht, die von den damit befaßten amtlichen Stellen oder sonstigen Fachkreisen als Voraussetzung für die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung festgelegt worden sind.

Daß bei der Ermittlung dieser mittelbaren ('verweisenden') Verbrauchererwartung im vorliegenden Fall vor allem auf die Beurteilungsgrundsätze des Codex-Kapitels B 17 Bedacht zu nehmen ist, folgt schon aus der Rechtsnatur des ÖLMB, bei welchem es sich, wie schon erwähnt, um ein von der Codexkommission vorbereitetes und vom Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz herausgegebenes, qualifiziertes Sachverständigengutachten handelt, welches vor allem der Verlautbarung von Sachbezeichnungen, Vertriebsbestimmungen und Beurteilungsgrundsätzen sowie von Richtlinien für das Inverkehrbringen diesem Bundesgesetz unterliegender Waren dient. (OGH vom 14.05.1985, 4Ob330/85)

Zu den Informationen über die Zusammensetzung zählen nicht nur Angaben zur Zusammensetzung einer Ware, wie zB das Zutatenverzeichnis, sondern auch und gerade die Bezeichnung einer Ware (Weidert in Hartge-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG² § 5 C Rz 30). Denn die Bezeichnung eines Produkts löst bei dem angesprochenen Verkehrskreis Erwartungen aus, etwa über die stoffliche Beschaffenheit oder die Zusammensetzung und die damit verbundene Qualität, und veranlasst aufgrund dieser Erwartungen die wirtschaftliche Entscheidung (Nordemann in Götting/Nordemann, UWG § 5 Rz 1.46; vgl 4 Ob 20/91 - Himbeer Essig betreffend eine Enttäuschung der Verbrauchererwartung über den Inhalt an wertbestimmenden Bestandteilen eines Lebensmittels). Die Irreführungseignung ist - auch nach der UWG-Nov 2007 (4 Ob 109/08w) - nach dem Gesamteindruck der strittigen Ankündigung zu beurteilen (RIS-Justiz RS0078524, RS0043590 [T36, T39, T40]; RS0078470 [T13]; RS0078352).

Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung. Denn er kann schon durch einzelne Teile der Ankündigung, die (etwa auf einem Flaschenetikett, vgl 4 Ob 20/91 - Himbeer Essig, und 4 Ob 379/76 - Kürbis-Salatöl) als Blickfang besonders herausgestellt sind, entscheidend geprägt werden. In solchen Fällen darf auch der blickfangartig herausgestellte Teil der Ankündigung für sich allein nicht irreführend sein (4 Ob 109/08w; RIS-Justiz RS0078542). In solchen Fällen kann nur ein ausreichend deutlicher aufklärender Hinweis zum Wegfall der Irreführungseignung führen (RIS-Justiz RS0078542, RS0118488).

Der mündige Konsument erwartet von einem als „Waldbeeren Fruchtschnitte“ bezeichneten Produkt weder eine unter Verwendung ganzer Früchte, noch - im Verhältnis zu anderen Obstzutaten - überwiegend aus Waldbeeren hergestellte Fruchtschnitte. Ganze Früchte muss er als Zutat schon aufgrund der geringen Breite der Schnitte, deren erkennbar fester Konsistenz und der vorausgesetzten längeren Haltbarkeit eines solchen Lebensmittels ausschließen, und ohne Kenntnis der Zutatenliste hat er keine Vorstellung davon, in welchem Ausmaß die namensgebenden Früchte in der Schnitte enthalten sind und ob diese Zutat mengenmäßig gegenüber sonstigen (Obst‑)Zutaten überwiegt.

Die Verbrauchererwartung der Maßfigur ist in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass eine „Waldbeeren Fruchtschnitte“ aus echten Waldbeeren (und nicht bloß aus Aromastoffen) hergestellt ist und auch nach solchen Früchten schmeckt. In welchem mengenmäßigen Verhältnis bei einer Fruchtschnitte Grundmasse und namensgebende Obstsorte stehen, spielt in der Verbrauchererwartung und damit für die Kaufentscheidung hingegen nur eine untergeordnete Rolle.

Werden (wie hier) für eine Fruchtschnitte von 40 g rund 10 g Waldbeeren verarbeitet - der geringere prozentuelle Anteil des Beerenkonzentrats an der Gesamtmasse ist allein auf einen Verarbeitungsvorgang zurückzuführen -, ist dieses Verhältnis jedenfalls ausreichend hoch, die Verbrauchererwartungen über den Fruchtanteil zu erfüllen. Damit kann der Beklagten aber nicht vorgeworfen werden, sie habe allein mit der Gestaltung der Verpackung ihres Produkts beim Verbraucher Erwartungen hervorgerufen, die das Produkt nicht erfüllt. (OGH vom 15.02.2011, 4Ob228/10y)

Gerade weil nach der Verbrauchererwartung unter "Schnitzel" nur einzelne in Scheiben geschnittene Fleischstücke verstanden werden, die zur Zubereitung verschiedener als "Schnitzel" bezeichneter gastronomischer Gerichte geeignet und kochfertig vorbereitet sind, kann das mit der beanstandeten Bezeichnung "Rindsschnitzelfleisch im Ganzen" angesprochene Publikum keinesfalls den Eindruck gewinnen, daß damit einzelne in Scheiben geschnittene und kochfertig vorbereitete Fleischstücke ("Schnitten") angeboten würden.

Die Beklagten haben ja den Begriff "Schnitzel" nicht für sich allein verwendet, sondern in ein zusammengesetztes Hauptwort aufgenommen, welches durch das Grundwort "Fleisch" bestimmt wird, und ihm überdies noch den verdeutlichenden Zusatz "im Ganzen" beigefügt. Damit wurde aber für jedermann unmißverständlich klargestellt, daß es sich bei der solcherart angebotenen Ware um einen ganzen, nicht in Schnitten geschnittenen Fleischteil handelt, der zwar für die Zubereitung von Schnitzeln geeignet ist, zu diesem Zweck aber noch zugerichtet, also erst in einzelne Scheiben zerschnitten werden muß.

Gerade weil die beanstandete Bezeichnung den durch sie angesprochenen Interessenten klar macht, daß es sich um gewachsene, nicht in Schnitten geschnittene Fleischstücke handelt, muß auch dem Durchschnittskonsumenten selbst in der Eile des geschäftlichen Verkehrs bewußt werden, daß diese ganzen Fleischstücke noch sehnige und fette Bestandteile aufweisen, die für die Schnitzelzubereitung ungeeignet sind. (OGH vom 03.04.1990, 4Ob20/90)

Wenn die belangte Behörde ausführt, der Mitbeteiligte habe nicht erkennen können, dass die Ware für den menschlichen Verzehr nicht geeignet gewesen sei, da deren Aussehen unauffällig und ihr Geruch arteigen und ohne Abweichung gewesen sei und der Mitbeteiligte weder dazu verpflichtet noch dazu in der Lage sei, an jedem Lebensmittel eine bakteriologische Untersuchung vorzunehmen, geht sie (erkennbar) davon aus, dass ihn an der Übertretung des § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG kein Verschulden treffe.

Damit geht die belangte Behörde jedoch nicht auf die Vermutung der Fahrlässigkeit in § 5 Abs. 1 VStG und das sich daraus ergebende Erfordernis, den Mangel an Verschulden glaubhaft zu machen, ein. Vielmehr wäre ausgehend von der Begründung des angefochtenen Bescheides fahrlässiges Verhalten im Hinblick auf das Inverkehrbringen von für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln nach Ansicht der belangten Behörde immer schon dann auszuschließen, wenn diese Eigenschaft der Lebensmittel anhand ihres Aussehens und Geruchs nicht erkennbar ist. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, stellt der Straftatbestand des § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG doch allein auf die (fehlende) Eignung eines in Verkehr gebrachten Lebensmittels zum menschlichen Verzehr ab. Im Hinblick darauf ist der Mangel an Verschulden glaubhaft zu machen. Gerade für (hier zudem mariniertes) Fleisch liegt es auf der Hand, dass die Beurteilung, ob dieses für den menschlichen Verzehr geeignet ist, sich nicht allein auf Aussehen und Geruch beschränken kann. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde - die eine bakteriologische Untersuchung jedes einzelnen in Verkehr gebrachten Lebensmittels als einzige weitere Möglichkeit anzusehen scheint, Übertretungen wie die gegenständliche zu verhindern - sind zur Kontrolle der Unbedenklichkeit von Fleisch auch eine Reihe weiterer (zumutbarer) Maßnahmen denkbar, wie sie zum Teil in den lebensmittelrechtlichen Vorschriften vorgesehen sind und etwa auch in der vorliegenden Amtsbeschwerde aufgezeigt werden. (VwGH vom 21.05.2012, 2011/10/0050)

Separatorenmaterial ist keine Fleischzubereitung (EuGH vom 16.10.2014 C-453/13)

Gemäß § 5 Z 5 Trinkwasserverordnung sind bei Nichteinhaltung der mikrobiologischen oder chemischen Anforderungen die Abnehmer über die betreffenden Parameter, den dazugehörigen Parameterwert und etwaige Vorsichtsmaßnahmen hinzuweisen. Dabei genügt nicht der bloße Aushang im Gemeindeamt, auch wenn die Gemeinde Wasserversorger ist. (LVwG Burgenland vom 23.01.2023, E 156/02/2021.002/002)

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