1. Präambel
Das Kapitel B 1 behandelt unser wichtigstes Lebensmittel, das Trinkwasser. In rechtlicher Hinsicht wird Wasser durch zwei Gesetzesmaterien geregelt. Das Wasserrechtsgesetz 1959 – WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idgF, regelt die Nutzung und den Schutz des Wassers. Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006 idgF, regelt das Inverkehrbringen von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasser). Trinkwasser stellt im Sinne der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen die höchste Nutzungsmöglichkeit dar. Gemäß § 3 Abs. 2 ist "Wasser für den menschlichen Gebrauch" Wasser vom Wasserspender bis zum Abnehmer bzw. Verbraucher zum Zweck der Verwendung als Lebensmittel oder in Lebensmittelunternehmen. Nähere Anforderungen an das Inverkehrbringen, die Qualität und die Kontrolle des Trinkwassers regelt die Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung – TWV), BGBl. II Nr. 304/2001 idgF. Änderungen des LMSVG bzw. der TWV sind entsprechend zu berücksichtigen.
Die TWV stellt die Umsetzung der Richtlinie 98/83/EG des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserrichtlinie) in österreichisches Recht dar.
Das Kapitel B 1 "Trinkwasser" des österreichischen Lebensmittelbuches (ÖLMB) erläutert die Qualitätskriterien für Trinkwasser und beinhaltet Ergänzungen, die zum Teil über die Verordnung hinausgehen.
Das ÖLMB (Codex Alimentarius Austriacus) findet seine gesetzliche Verankerung im § 76 des LMSVG. Es hat eine lange Tradition als "objektiviertes Sachverständigengutachten" und stellt die Verbrauchererwartung dar. Bei seiner Erstellung wirken Fachleute aus Wissenschaft, Behörden, Wasserversorgungsunternehmen, Verbraucherverbänden und Untersuchungsanstalten im Rahmen der Codexkommission mit. Es stellt den Stand des hygienischen und technischen Wissens dar.
1880 gab es erste Bestrebungen, ein Lebensmittelgesetz zu schaffen. Im Jahre 1897 wurde das "Gesetz vom 16. Jänner 1896 RGBL Reichsgesetzblatt, Nr. 89 vom Jahre 1897" betreffend den Verkehr mit "Lebensmitteln und einigen Gebrauchsgegenständen" in Kraft gesetzt.
Im Jahre 1917 wurde im dritten Band des österreichischen Lebensmittelbuches mit dem Codexkapitel XXXIX erstmals ein Kapitel über Trinkwasser und Eis veröffentlicht. Im Jahre 1957 erschien die erste Fassung des Codexkapitels B1, 1989 die zweite und 1993 die dritte Fassung, die bereits auf das absehbare EU-Recht adaptiert wurde.
Im Jahre 1984 wurden die "Regelungen für Trinkwasser" mit Erlass des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 10. August 1984, Zl. III-50.966/11-6/84, verlautbart. 1989 wurden die Trinkwasser-Nitratverordnung, 1991 die Trinkwasser-Pestizidverordnung, 1993 die Trinkwasser-Ausnahme-Verordnung und 1999 die Trinkwasser-Informationsverordnung erlassen.
Die Verordnung der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, BGBl. II Nr. 235/1998 war die Umsetzung der gleichlautenden Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1980, 80/778/EWG, durch die die oben angeführten VO außer Kraft gesetzt wurden. Seit 1. September 2001 gilt die Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung – TWV), BGBl. II Nr. 304/2001. Diese wurde durch die Verordnung vom 6. Juli 2006, BGBl. II Nr. 254/2006, geändert.
Mit der TWV wurde die Trinkwasserrichtlinie (Richtlinie 98/83/EG vom 3. November 1998) in österreichisches Recht umgesetzt. Diese stellt einen Kompromiss aller Mitgliedstaaten der EU dar und enthält die aus gesundheitlichen Gründen unverzichtbaren Mindestanforderungen an trinkbares Wasser.
Um die hohe Qualität des österreichischen Trinkwassers aufrecht zu erhalten, wurden über die TWV hinausgehende Qualitätskriterien im Trinkwasserbereich eingeführt. Das vorliegende Codexkapitel B1 "Trinkwasser" erläutert die TWV und enthält zusätzlich notwendige ergänzende Anforderungen. So werden z.B. zulässige Aufbereitungsverfahren, Bedingungen für Desinfektionsmaßnahmen, außerdem Begrenzungen für zusätzliche unerwünschte oder toxische Stoffe, die nicht in der Trinkwasserverordnung enthalten sind, aufgelistet.
Österreich ist – im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen Oberflächenwasser durch mehrstufige chemisch-technische Verfahren aufbereitet werden muss – in der günstigen Situation, dass bereits die Grundwasservorkommen bestmöglich geschützt werden und Grundwasser als Trinkwasser möglichst naturbelassen zum Abnehmer bzw. Verbraucher gelangt.
Von besonderer Bedeutung ist die Durchführung einer Stufenkontrolle, bei der eine Überprüfung des Wassers im gesamten System von der Gewinnung, allfälliger Aufbereitung, Speicherung und Verteilung bis zur Abgabe an den Abnehmer bzw. Verbraucher vorgenommen wird.