Anhang 6 Leitlinie über die täuschungsfreie Aufmachung bei freiwilligen Angaben mit Bezug auf Ursprung oder Herkunft des Lebensmittels
Einleitung
Viele Lebensmittel am österreichischen Markt weisen in Aufmachung und Werbung freiwillige Bezugnahmen auf die Herkunft oder den Ursprung (wie zum Beispiel Österreich, ein Bundesland oder eine Region) auf. Dabei kann es sich um direkte oder indirekte, mittelbare oder unmittelbare Angaben mit geografischem Bezug handeln, die einen Zusammenhang zwischen Produkt und Rohstoffen, Wertschöpfung, Qualität, Rezeptur, Machart, Tradition, Lebensgefühl, Geschmack etc. herstellen.
Grundsätzlich müssen Informationen über Lebensmittel zutreffend, klar und für die Verbraucherinnen und Verbraucher leicht verständlich und dürfen nicht irreführend sein. Es gilt das allgemeine Irreführungsverbot gemäß Artikel 7 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV) und § 5 Abs. 2 Z 1 LMSVG.
Ob nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der berechtigten Verbrauchererwartung, eine Ware mit Herkunftsangabe täuschungsfrei in Verkehr gebracht wird, kann im jeweiligen Einzelfall von einer Reihe von Aspekten abhängen, z. B.:
- Art, Merkmale und Bezeichnung der Ware
- Herstellungsverfahren und –technologie
- Machart, Rezeptur
- wesentliche und/oder charakteristische Zutat/en
- Ursprung / Herkunft der Zutat/en.
Weiters gilt das spezielle Irreführungsverbot in Bezug auf Herkunftsinformationen bei Lebensmitteln gemäß Artikel 26 Abs. 2 lit. a LMIV. So ist das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels verpflichtend anzugeben, „falls ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher über das tatsächliche Ursprungsland oder den tatsächlichen Herkunftsort des Lebensmittels möglich wäre, insbesondere wenn die dem Lebensmittel beigefügten Informationen oder das Etikett insgesamt sonst den Eindruck erwecken würden, das Lebensmittel komme aus einem anderen Ursprungsland oder Herkunftsort.“
Darüber hinaus sieht Artikel 26 Abs. 3 LMIV sowie die darauf basierende Durchführungsverordnung (EU) 2018/775 (DVO) vor, dass Lebensmittelunternehmerinnen und Lebensmittelunternehmer, die Herkunftsangaben freiwillig auf verpackten Lebensmitteln ausloben, die Herkunft der primären Zutat/en angeben müssen, wenn diese nicht mit der Herkunft des Lebensmittels übereinstimmt.
Diese Leitlinie dient zur Unterstützung bei der Anwendung der DVO (EU) 2018/775 an Hand von Beispielen.
Die Ausführungen in den Erwägungsgründen 29 bis 33 sowie die Definitionen der Artikel 2 Abs. 2 lit. g („Herkunftsort“), Artikel 2 Abs. 2 lit. q („primäre Zutat“), Artikel 2 Abs. 3 („Ursprungsland eines Lebensmittels“) und Artikel 26 LMIV sowie die DVO (EU) 2018/775 sind zu beachten.
In diesem Zusammenhang wird zudem auch auf die BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION über die Anwendung von Artikel 26 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (ABl. Nr. C 32 vom 31.1.2020, S. 1) sowie auf den nationalen FAQ zur Anwendung der Durchführungsverordnung (EU) 2018/775 zur Herkunftskennzeichnung der primären Zutat eines Lebensmittels (auf der Homepage des BMSGPK abrufbar) hingewiesen.
Nähere Bestimmungen zu Herkunftsangaben
Um einen möglichen irreführenden Eindruck bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Zusammenhang mit Herkunftsangaben zu vermeiden, wurden in Artikel 26 Abs. 3 LMIV Konkretisierungen des allgemeinen Irreführungsverbots in Bezug auf die Herkunft der primären Zutat/en (wesentliche und/oder charakteristische Zutaten/en) normiert.
Dieser sieht vor, dass in den Fällen, in denen „das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels angegeben und dieses/dieser nicht mit dem Ursprungsland oder Herkunftsort seiner primären Zutat identisch ist, auch das Ursprungsland oder der Herkunftsort der jeweiligen Zutat anzugeben oder anzugeben ist, dass die primäre Zutat aus einem anderen Ursprungsland oder Herkunftsort kommt als das Lebensmittel“.
Dies betrifft jene Fälle, in denen die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts freiwillig durch Angaben wie Erklärungen, Begriffe, Piktogramme, Symbole oder grafische Elemente erfolgt, einzeln oder in Kombination.
Bei der Beurteilung im Einzelfall ist jeweils zu prüfen, ob eine spezifische Angabe unter Berücksichtigung der Gesamtaufmachung die Anwendung des Artikel 26 Abs. 3 LMIV auslöst.
Die Modalitäten zur Angabe des Ursprungslands oder Herkunftsorts der primären Zutat/en eines Lebensmittels sind in der DVO (EU) 2018/775 geregelt.
Beispiele für Angaben, die als Herkunftsangaben gesehen werden und die Anwendung von Artikel 26 Abs. 3 LMIV auslösen:
- Österreichfahne oder Farbe rot-weiß-rot bzw. Landesfarben oder Landeswappen
- Geografischer Bezug durch z. B. Landschaft, Berge, Ortschaften, Almen, Tiere, Trachten
- „Österreich“ in der Bezeichnung, „Österreichische Qualität“, „Qualität aus Österreich“,
„Österreichische Spezialität“, „Spezialität aus Österreich“, „Produkt aus Österreich“,
„verarbeitet in Österreich“, „Österreichisches Erzeugnis“, „erzeugt in Österreich“,
„Österreichisches Produkt“, „produziert in Österreich“, „hergestellt in Österreich“
Sofern die primäre Zutat/en nicht aus Österreich stammt/stammen, ist das Ursprungsland oder der Herkunftsort der primären Zutat/en täuschungsfrei anzugeben oder klarzustellen, dass diese anderer Herkunft ist/sind (vgl. dazu auch Pkt. 2.3. des nationalen FAQ).
Diese Beispiele gelten sinngemäß für Angaben auf jeder geografischen Ebene (z. B. Bundesland, Region, Stadt):
„hergestellt in Tirol“, „Qualität aus dem Waldviertel“, „Salzburger Spezialität“
Beispiele für Angaben mit Herkunftsbezug, die die Anwendung von Artikel 26 Abs. 3 LMIV nicht auslösen:
- „nach Österreichischem Codex“, „hergestellt nach Österreichischem Codex“:
Diese Angaben betreffen Produkte, für welche im zutreffenden Spezialkapitel des Österreichischen Codex (Österreichisches Lebensmittelbuch) eine bestimmte Herstellungsweise bzw. Grenzwerte vorgesehen wurden.
- „nach österreichischer Rezeptur“, „nach österreichischer Art“, „nach österreichischer
Brautradition“:
Bei Verwendung dieser Angaben muss eine traditionelle Herstellungsweise unter Heranziehung von in Österreich üblicherweise verwendeten Rezepturen belegt werden können.
Dies kann z. B. auch einer Codexqualität entsprechen, wenn darin eine Herstellungsrichtlinie bzw. ein Grenzwert für dieses Produkt festgelegt ist. Alternativ könnte auch durch andere Belege die Üblichkeit nachgewiesen werden, z. B. Kochbuch mit traditionellen Rezepten eines Landes oder einer Region.
- Verkehrsübliche Bezeichnungen (siehe Definition gemäß Artikel 2 Abs. 2 lit. o LMIV) und Gattungsbezeichnungen (z. B. codifizierte Bezeichnungen), die eine geografische Angabe enthalten, jedoch allgemein nicht als Ursprungsangabe oder Herkunftsort des Lebensmittels verstanden werden:
Diese Angaben fallen gemäß Artikel 1 Z 1 der DVO (EU) 2018/775 nicht in deren Anwendungsbereich.
Beispiele: Salzburger Nockerl, Linzer Schnitte, Debreziner, Frankfurter Würstel, Wiener Schnitzel, …
· „Abgepackt in Österreich“, verpackt in …“, oder „abgefüllt in Tirol“:
Diese Angabe stellt keinen Auslöser dar und kann verwendet werden, wenn das Produkt in Österreich/Tirol abgepackt/verpackt/abgefüllt wird.
- Angabe „Österreich“ oder gleichsinnig im Namen, in der Firma oder in der Anschrift des Lebensmittelunternehmens:
Die Angabe des verantwortlichen Lebensmittelunternehmens stellt eine Pflichtangabe laut LMIV dar, somit liegt keine auslösende Angabe des Herkunftsorts vor.
- „hergestellt/produziert/erzeugt von/für (Name des Lebensmittelunternehmers gefolgt von seiner Anschrift)“ oder „erzeugt von/hergestellt von X für Y“:
Bezieht sich ausschließlich auf den Verarbeitungsbetrieb und wird im Allgemeinen nicht als Herkunftsangabe verstanden, sofern die Angabe nicht in irreführender Weise in der Gesamtaufmachung erfolgt und damit den Eindruck erweckt, das Produkt selbst stamme aus Österreich (vgl. dazu auch 2.4.2. der Bekanntmachung der Kommission).
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass eingetragene Marken und nach EU-Recht geschützte geografische Angaben (z. B. Steirisches Kürbiskernöl ggA) von der DVO (EU) 2018/775 derzeit ausgenommen sind (vgl. dazu auch Pkt. 1.2. und 1.3. des nationalen FAQ). Eine Pflicht zur Angabe des Ursprungslands oder Herkunftsorts der primären Zutat/en anderer Herkunft besteht daher nicht. Zusätzliche geografische Angaben auf der Verpackung wie z. B. die Österreichfahne sind von der Ausnahme nicht erfasst (vgl. dazu auch 2.4.6. der Bekanntmachung der Kommission).