1.3 Für den menschlichen Verzehr ungeeignet

Hinsichtlich des gegenständlichen Inverkehrbringens dreier für den menschlichen Verzehr ungeeigneter Lebensmittel (Übertretungen gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1, § 5 Abs. 5 Z. 2, § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG) am selben Tag im selben Lokal ist im Sinne dieser höchstgerichtlichen Judikatur von einer tatbestandlichen Handlungseinheit, d.h. einer Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines zeitlichen Zusammenhangs sowie einer diesbezüglichen gesamtheitlichen Sorgfaltswidrigkeit des Täters (vgl. die Hygienemängel im Betrieb des Beschwerdeführers), auszugehen, sodass der Beschwerdeführer hinsichtlich der (hier verfahrensgegenständlichen) gekühlten faschierten Laibchen (Probe ***), der (mit Straferkenntnis vom 19.8.2020, ***, bereits rechtskräftig erledigten) Hühnerfilets (Probe ***) und der (vom Straferkenntnis vom 5.10.2020, ***, betroffenen) tiefgekühlten faschierten Laibchen (Probe ***) tatsächlich nur eine Tat verwirklicht hat und für diese auch nur einmal zu bestrafen ist. Gegenteiliges ist weder aufgrund des Wortlauts der § 5 Abs. 1 Z. 1, § 5 Abs. 5 Z. 2, § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG (beachte die Formulierung von „Lebensmittel“ jeweils im Plural; vgl. zur „pauschalierenden Tatbildformulierung“ VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108) noch aufgrund deren Zielrichtung anzunehmen und wird auch durch die vom Gesetzgeber hoch angesetzte Höchststrafe von 50.000 Euro (im Wiederholungsfall 100.000 Euro) nicht nahegelegt; durch diese wird der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit gegeben, die Mehrzahl von Einzelhandlungen in der Strafhöhe zu berücksichtigen (vgl. VwGH 30.1.2019, Ro 2018/03/0053); fallbezogen wären also keine Einzelstrafen pro beanstandetem Lebensmittel, sondern nur eine (nach § 19 VStG entsprechend zu bemessende) Gesamtstrafe zu verhängen gewesen. Es war somit auch nicht zulässig, diesbezüglich drei getrennte Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer zu führen; in jedem Fall aber führt der zeitlich frühere endgültige Abschluss eines dieser Verfahren dazu, dass nach dem Grundsatz „ne bis in idem“ keine andere Entscheidung in den parallel geführten Verwaltungsstrafverfahren ergehen darf (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/03/0117). (LVwG NÖ, LVwG–S-2106/001-2020 vom 9.4.2021)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Beschuldigter im Hinblick auf das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems, aufgrund dessen das Fehlen eines Verschuldens gemäß § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft gemacht würde, gehalten darzutun, dass er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen, und wie es trotz dieses Kontrollsystems zur Verwaltungsübertretung kommen konnte (vgl. W. Wessely in N. Raschauer/W. Wessely (Hg.), VStG, § 5 Rz 25 bis 29 und die dort zitierte hg. Judikatur).

Wenn die belangte Behörde ausführt, der Mitbeteiligte habe nicht erkennen können, dass die Ware für den menschlichen Verzehr nicht geeignet gewesen sei, da deren Aussehen unauffällig und ihr Geruch arteigen und ohne Abweichung gewesen sei und der Mitbeteiligte weder dazu verpflichtet noch dazu in der Lage sei, an jedem Lebensmittel eine bakteriologische Untersuchung vorzunehmen, geht sie (erkennbar) davon aus, dass ihn an der Übertretung des § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG kein Verschulden treffe.

Damit geht die belangte Behörde jedoch nicht auf die Vermutung der Fahrlässigkeit in § 5 Abs. 1 VStG und das sich daraus ergebende Erfordernis, den Mangel an Verschulden glaubhaft zu machen, ein. Vielmehr wäre ausgehend von der Begründung des angefochtenen Bescheides fahrlässiges Verhalten im Hinblick auf das Inverkehrbringen von für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln nach Ansicht der belangten Behörde immer schon dann auszuschließen, wenn diese Eigenschaft der Lebensmittel anhand ihres Aussehens und Geruchs nicht erkennbar ist. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, stellt der Straftatbestand des § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG doch allein auf die (fehlende) Eignung eines in Verkehr gebrachten Lebensmittels zum mensch-lichen Verzehr ab. Im Hinblick darauf ist der Mangel an Verschulden glaubhaft zu machen. Gerade für (hier zudem mariniertes) Fleisch liegt es auf der Hand, dass die Beurteilung, ob dieses für den menschlichen Verzehr geeignet ist, sich nicht allein auf Aussehen und Geruch beschränken kann. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde - die eine bakteriologische Untersuchung jedes einzelnen in Verkehr gebrachten Lebensmittels als einzige weitere Möglichkeit anzusehen scheint, Übertretungen wie die gegenständliche zu verhindern - sind zur Kontrolle der Unbedenklichkeit von Fleisch auch eine Reihe weiterer (zumutbarer) Maßnahmen denkbar, wie sie zum Teil in den lebensmittelrechtlichen Vorschriften vorgesehen sind und etwa auch in der vorliegenden Amtsbeschwerde aufgezeigt werden. (VwGH vom 21.05.2012, 2011/10/0050 mit Verweis auf VwGH vom 26.04.2010, 2008/10/0169)

Als Gegenstand jener Verbrauchererwartung, die für die Annahme der Verdorbenheit eines bestimmten Lebensmittels von Bedeutung ist, weil sie produktbezogen die jeweils maßgebenden Kriterien für dessen "bestimmungsgemäße Verwendbarkeit" und damit auch für deren wesentliche Verminderung (einschließlich ihres gänzlichen Wegfalls) determiniert, kann nach dem gesetzlich umschriebenen Verwendungszweck der Lebensmittel folgerichtig nur die für diese Zielsetzung aktuelle tatsächliche Beschaffenheit des betreffenden Stoffs in Betracht kommen.

Darüber aber besagt der Ablauf einer empfohlenen Aufbrauchfrist allein noch nichts; daß ein Lebensmittel einer solcherart bloß auf die Mindestdauer der Haltbarkeit bezogenen Verbrauchererwartung nicht entspricht, hat demnach - selbst dann, wenn dieser Umstand aus Gründen der Vorsicht weithin zu einem Konsumverzicht, also zum tatsächlichen Unterbleiben seiner bestimmungsgemäßen Verwendung, führt - für sich allein noch nicht eine Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendbarkeit der Ware, sohin ihrer Genußtauglichkeit, (und damit ihre Verdorbenheit) zur Folge, weil sich eine derartige Verbrauchererwartung nicht auf die dafür maßgebende effektive Beschaffenheit des betreffenden Lebensmittels bezieht. (OGH vom 09.09.1986, 10Os118/86)

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