Aktionswerte bezüglich nicht relevanter Metaboliten von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen in Wasser für den menschlichen Gebrauch
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BMG-75210/0010-II/B/13/2010 vom 26.11.2010
Änderungen, Ergänzungen:
BMG-75210/0008-II/B/13/2011 vom 16.8.2011
BMG-75210/0011-II/B/13/2011 vom 9.11.2011
BMG-75210/0021-II/B/13/2011 vom 25.1.2012
BMG-75210/0022-II/B/13/2014 vom 14.7.2014
BMG-75210/0030-II/B/13 /2014 vom 28.10.2014
BMG-75210/0038-II/B/13/2015 vom 27.1.2016
BMG-75210/0001-II/B/13/2016 vom 13.5.2016
BMGF-75210/0027-II/B/13/2017 vom 22.12.2017
BMASGK-75210/0004-IX/B/13/2019 vom 5.7.2019
2021-0.549.058 vom 4.8.2021
Gemäß § 3 Abs. 1 der Trinkwasserverordnung – TWV, BGBl. II Nr. 304/2001 idgF, muss Trinkwasser geeignet sein, ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit getrunken oder verwendet zu werden. Das ist gegeben, wenn es Mikroorganismen, Parasiten und Stoffe jedweder Art nicht in einer Anzahl oder Konzentration enthält, die eine potentielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit darstellen und den in Anhang I Teil A Mikrobiologische Parameter und Teil B Chemische Parameter festgelegten Mindestanforderungen entspricht.
Für Pestizide und die entsprechenden Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukte ist im Anhang I Teil B der Trinkwasserverordnung bzw. im Anhang I Teil B der Richtlinie 98/83/EG (Trinkwasserrichtlinie) ein einheitlicher Parameterwert (Grenzwert) von 0,1 μg/l bzw. 0,03 μg/l für Aldrin, Dieldrin, Heptachlor und Heptachlorepoxid festgelegt. Dieser basiert nicht auf einer ökotoxikologischen und humantoxikologischen Risikobewertung sondern es handelt sich um einen gesundheitlich motivierten Vorsorgewert.
Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln setzt voraus, dass diese – insbesondere aber die Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe (Pestizide im Sinne der TWV) sowie deren Rückstände (Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukte) – bei bestimmungsgemäßer Anwendung – keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich besonders gefährdeter Personengruppen, oder von Tieren – weder direkt, noch über das Trinkwasser (unter Berücksichtigung der bei der Trinkwasserbehandlung entstehenden Produkte) – noch auf das Grundwasser haben, entsprechende Grenzwerte also eingehalten werden.
Bei der Bewertung des Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffes werden neben dem Wirkstoff selbst auch dessen Abbau- und Reaktionsprodukte einer ökotoxikologischen und humantoxikologischen Risikobewertung unterzogen. Weiters werden die Wirkstoffe und Metaboliten im Hinblick auf ihre Mobilität im Boden und die Gefahr des Eintrags in das Grundwasser einer Bewertung unterzogen. Dementsprechend wird eine Einstufung der Metaboliten in für das Grundwasser „relevant" oder „nicht relevant" vorgenommen.
Als „relevant“ für das Grundwasser gelten jene Rückstände (Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukte) von Wirkstoffen, die hinsichtlich ihrer biologischen/pestiziden Aktivität vergleichbare Eigenschaften besitzen wie die Muttersubstanz, oder aufgrund ihrer toxischen oder ökotoxischen Eigenschaften das Grundwasser oder andere hiervon abhängige Ökosysteme oder die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden.
Treffen diese Eigenschaften für einen Metaboliten nicht zu, kann er als „nicht relevant" bewertet werden und gilt somit nicht als Pestizid im Sinne der TWV sondern als unerwünschter Stoff.
Zur Beurteilung der Relevanz von Metaboliten im Grundwasser hat die Europäische Kommission den Leitfaden „Guidance document on the assessment of the relevance of metabolites in groundwater of substances regulated under council directive 91/414/EEC", Sanco/221/2000-rev.10-final, 25 February 2003, ausgearbeitet (siehe http://ec.europa.eu/food/plant/protection/evaluation/guidance/wrkdoc21_en.pdf)
Dieser wurde vom „Ständigen Ausschuss für die Nahrungskette und Tiergesundheit" (SCFA) zur Kenntnis genommen. Nach dem Leitfaden ist bei der Genehmigung eines Wirkstoffs in mehreren Schritten zu prüfen, ob ein Metabolit relevant oder nicht relevant im Grundwasser ist. Voraussetzung für eine Genehmigung ist es, dass für Wirkstoffe und relevante Metaboliten im Grundwasser ein Grenzwert von 0,1 μg/l nicht überschritten werden darf. Für „nicht relevante Metaboliten" gibt es gemäß dem oben angeführten „Guidance Document" je nach Metabolit unterschiedliche Werte (meist zwischen 0,75 μg/l und 10 μg/l).
Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) wurde daher vom Bundesminister für Gesundheit beauftragt, eine Bewertung der Relevanz sowie eine Risikobewertung der in Österreich in Frage kommenden „nicht relevanten Metaboliten" von Pestiziden im Hinblick auf eine potentielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit gemäß den Vorgaben der Leitlinie der Europäischen Kommission und auf der Basis der im Rahmen der EU-Wirkstoffprüfung vorgelegten wissenschaftlichen und fachlichen Daten durchzuführen.
Im Anhang werden jene „nicht relevanten Metaboliten" von Wirkstoffen aufgelistet, die von der AGES im Hinblick auf das Trinkwasser bislang bewertet wurden. Es wird empfohlen, die im Anhang angeführten Stoffe im Bedarfsfall in die Eigenkontrolle gemäß TWV aufzunehmen.
Für diese „nicht relevanten Metaboliten“ wird vorsorglich jeweils eine Konzentration im Trinkwasser (Aktionswert) vorgeschlagen, bei deren Überschreitung die Ursache zu prüfen und festzustellen ist, ob bzw. welche Maßnahmen zur Wiederherstellung einer einwandfreien Wasserqualität erforderlich sind. Es ist erforderlich, dass der Betreiber einer Wasserversorgungsanlage die zuständigen Behörden von der Überschreitung von Aktionswerten informiert.
Bei Auftreten von „nicht relevanten Metaboliten“, auch wenn diese in Konzentrationen unterhalb des Aktionswertes vorliegen, sollte der Verlauf in geeigneter Weise beobachtet werden, um allenfalls rechtzeitig Maßnahmen setzen zu können.
ANHANG
Liste der Wirkstoffe und deren „nicht relevante Metaboliten" sowie die entsprechende Konzentration (Aktionswerte)
Wirkstoff | "nicht relevanter Metabolit" (nrM)1 | Konzentrations (Aktionswert) | Toxikologische Bewertung |
Alachlor | Alachlor-t-Sulfonsäure (ESA, Metabolit 65) | 3,0μg/l | Subchronische Toxizitätsstudie vorhanden; nicht gentoxisch |
Alachlor-t-Säure (OXA, Metabolit 70) | 3,0μg/l | Subchronische Toxizitätsstudie vorhanden; nicht gentoxisch | |
Atrazin | Atrazin-2-Hydroxy | 3,0μg/l | ausführliches toxikologisches Paket, eigener ADI*) existiert |
Azoxystrobin | Azoxystrobin-O-Demethyl (CYPM, R234886) | 1,0μg/l | Nur akute Toxizitätsstudie vorhanden; nicht gentoxisch; als Säugermetabolit mit dem Wirkstoff getestet |
Chloridazon | Chloridazon-desphenyl (Metabolit B) | 3,0μg/l | Subchonische Studien vorhanden; Nicht gentoxisch |
Chloridazon-desphenylmethyl (Metabolit B1) | 3,0μg/l | Subchonische Studien vorhanden; nicht gentoxisch | |
Chlorthalonil | Chlorthalonil-Sulfonsäure (R417888) | 3,0μg/l | ADI-Wert: 0,06 mg/kg Körpergewicht/Tag MTK-Wert: 80μg/l |
3-carbamyl-2,4,5-trichlorbenzoesäure (R611965) | 3,0μg/l | ADI-Wert 0,5mg/kg Körpergewicht/Tag MTK-Wert: 666μg/l |
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Metabolit M4 (R471811) (2,4-dicarbamoyl-3,5,6-trichlorobenzol-1-sulfonat; CAS (nicht vorhanden) |
3,0μg/l |
ADI-Wert: 0,015 mg/kg |
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Dimethenamid-P | Dimethenamid-P Sulfonsäure Dimethenamid-P Säure |
Summe 1μg/l | Nur akute Toxizitätsstudie vorhanden; nicht gentoxisch |
Flufenacet | Flufenacet-Sulfonsäure (FOE Sulfonsäure, M2) |
1,0μg/l | Nar akute Toxizitätsstudie vorhanden; nicht gentoxisch; Analogieschluss zu Wirkstoff |
Flufenacet-Säure | 0,3μg/l | Keine toxikologischen Daten, ADI2 Muttersubstanz herangezogen | |
Fluopicolid | 2,6-Dichlorbenzamid (BAM)3 | 3,0 μg/l | Subchonische und Langzeitstudien vorhanden; Nicht gentoxisch |
Glyphosat | Aminomethyl-phosphonsäure (AMPA) | 3,0 μg/l | Subchonische Studien vorhanden; Nicht gentoxisch |
Matazachlor | Metazachlor-Sulfonsäure (BH479-8) | 3,0 μg/l | nicht gentoxisch; subchronische und Teratorgenitätsstudien vorhanden, als Säugermetabolit mit dem Wirkstoff getestet |
Metazachlor-Säure (BH479-4) | 3,0 μg/l | nicht gentoxisch; subchronische und Teratorgenitätsstudien vorhanden, als Säugermetabolit mit dem Wirkstoff getestet | |
Metribuzin | Metribuzin-Desamino (DA, Metabolig 01) | 0,3μg/l | Nur akute Toxizitätsstudie vorhanden; als Säugermetabolit mit dem Wirkstoff getestet |
s-Metolachlor | N-(2-ethyl-6-methyl-phenyl)-N-(2-methoxy-1-methylethyl)-Oxalamsäure (CGA354743) | 3,0μg/l | Subchronische Studien vorhanden; Nicht gentoxisch |
2-ethyl-6-methyl-phenyl)-(2-methoxy-1-methylethyl)-carbamoyl]methanuslfonsäure (CGA354743) | 3,0μg/l | Subchronische Studien vorhanden; Nicht gentoxisch | |
NOA 413173 (SYN547627) | 3,0μg/l | ADI-Wert: 0,1mg/kg Körpergewicht/Tag MTK4-Wert: 133μg/l (Summe aller Metaboliten von s-Metolachlor) |
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CGA 368208 | 0,3μg/l | Nur aktue Toxizitätsstudie vorhanden; nicht gentoxisch, aufgrund einer niedrigen MTK5, niedriger Aktionswert | |
Tolyfluanid | N,N-Dimethyl-Sulfamid (DMS) | 1,0μg/l (gilt nicht bei Ozonung von Wasser)6 | Nur akute und subakute Studie vorhanden; nicht gentoxisch; Anwendung des TTC-Konzepts |
1Die Bewertung der hier genannten Metaboliten als „nicht relevant" gilt vorbehaltlich der Überprüfung ihrer Relevanz hinsichtlich ihrer pestiziden Aktivität und ihres ökotoxikologischen Gefährdungspotentials gemäß dem Leitfaden "Guidance document on the assessment of the relevance of metabolites in groundwater of sub-stances regulated under council directive 91/414/EEC", Sanco/221/2000‐rev.10‐final, 25 February 2003.
2ADI Acceptable Daily Intake (erlaubte Tagesdosis)
3BAM (2,6 Dichlorbenzamid) ist auch ein nrM des nicht mehr zugelassenen Wirkstoffes Dichlobenil.
4MTK maximal tolerierbare Konzentration
5MTK maximal tolerierbare Konzentration
6Bei Anwendung von Ozonung in der Trinkwasseraufbereitung- und -desinfektion gilt dieser Aktionswert nicht. In diesem Fall muss die Konzentration an N,N-Dimethyl-Sulfamid (DMS) im Wasser vor Ozonung unter der Nachweisgrenze von 0,03 μg/l liegen, um eine Bildung von N,N-Dimethylnitrosamin zu verhindern.Dies gilt auch für eine nachträgliche Ozonung von Trinkwasser z.B. in Lebensmittelbetrieben bei dessen Ver-wendung zur Herstellung von Lebensmitteln.