Als Grundregel normiert Art. 8 Abs. 1 LMIV für die korrekte Information über ein Lebensmittel die Verantwortlichkeit des Unternehmers, “unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird“, bzw. des Importeurs in die EU. Damit wird die informationsrechtliche Verantwortung von der Rechtsbeziehung zwischen Verbraucher und Letztverkäufer getrennt, indem sie nicht mehr den Verkäufer als solchen trifft. Dies wird insb. im Bericht zur Vorbereitung der Beschlussfassung im Europäischen Parlament deutlich. Dort wird hervorgehoben, dass die Händlerverantwortung reduziert werden müsse („Das Prinzip zielt darauf, dass Handelsunternehmen nicht für solche Umstände zur Verantwortung gezogen werden, die nicht in ihrem Geschäfts- bzw. Einflussbereich liegen“), und in der Entstehungsgeschichte des Art. 8 Abs. 1 LMIV (siehe dazu im Detail Voit/Grube, LMIV2, 2016, Ch. Beck, Art. 8 Rz. 13 ff.) kommt klar zum Ausdruck, dass die Verantwortung der Handelsunternehmen eingeschränkt und auf den von ihnen kontrollierten Einflussbereich beschränkt werden soll. Eine sogenannte „Kettenverantwortung“ (siehe dazu Blass ua, LMR3, Art. 8 LMIV, Rz 1 ff.), wonach jeder in der gesamten Kette des Lebensmittelverkehrs von der Erzeugung der Urprodukte über die Herstellung eines Lebensmittels und seiner Weitergabe über den Groß- und Einzelhandel, auch über Gaststätten oder Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, bis zur Abgabe an den Endverbraucher dafür verantwortlich ist, dass das Produkt zum jeweiligen Zeitpunkt des Inverkehrbringens alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften erfüllt, entspricht deshalb nicht dem Modell der LMIV.

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Art. 8 Abs. 3 LMIV modifiziert nicht den Grad an Verantwortlichkeit, sondern normiert ein Abgabeverbot: Er verbietet jenen Lebensmittelunternehmern, deren Tätigkeiten die Information über Lebensmittel nicht beeinflussen, Lebensmittel abzugeben, von denen sie wissen oder annehmen müssen, dass sie u.a. den Vorschriften des Lebensmittelinformationsrechts nicht entsprechen. Welche Unternehmer die Information über Lebensmittel „nicht beeinflussen“ sollen, sagt die LMIV nicht. Gemeint sind aber wohl jene Wirtschaftsbeteiligten, die nicht als Vermarkter im Sinne von Abs. 1 verantwortlich sind, aber an Endverbraucher oder Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung Lebensmittel abgeben, also v.a. die Handelsunternehmen (vgl. Voit/Grube, LMIV2, 2016, Ch. Beck, Art. 8 Rz. 30). Es ist dem Wortlaut nach nur das „Abgeben“ (und eben nicht das „Inverkehrbringen“) von Lebensmitteln verboten, von deren Nichtübereinstimmung mit dem Lebensmittelinformationsrecht sie positive Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis haben, wobei mit „Abgeben“ nach dem Wortsinn nur das „Weitergeben“ von Lebensmitteln und nicht auch das bloße Feilhalten bzw. Bereithalten für Verkaufszwecke gemeint sein kann (dafür spricht auch die englische Sprachfassung, die den Begriff „supply“, der in Regel als „Abgabe“ verstanden wird, verwendet). Das bloße Feilhalten von Lebensmitteln, die dem Lebensmittelinformationsrecht nicht entsprechen, ist daher keine Zuwiderhandlung gegen Art. 8 Abs. 3 LMIV (siehe zu alldem Blass ua, LMR3, Art. 8 LMIV, Rz 38, und die Anfragebeantwortung des Kommissars Dalli vom 28.2.2012, E-385/12) (LVwG-S-859/001-2017 LVwG vom 04.06.2018).