Die Frage, ab welcher Konzentration dieser Stoff seine (nicht nur antioxidierende, sondern darüber hinaus auch) konservierende Wirkung entfaltet, stellt sich schon deshalb, weil nach Art. 9 der VO 1333/2008 in den Anhängen II und III zu dieser Verordnung die Lebensmittelzusatzstoffe zwar den einzelnen „Funktionsklassen“ im Sinne des Anhanges I entsprechend ihrer technischen Hauptfunktion zugeordnet sind – nämlich insbesondere „konservierend“ bzw. „antioxidierend“ i.S.d. Anhanges I Z. 3 und Z. 4 zu dieser Verordnung –, diese Zuordnung aber nach den angeführten Bestimmungen nicht ausschließt, dass solche Zusatzstoffe auch für andere Zwecke verwendet werden können; jedoch sind die in den Anhängen II und III enthaltenen Listen der Lebensmittelzusatzstoffe (sog. „E-Nummern“) gemäß Art. 4 Abs. 3 und 4 der VO 1333/2008 nicht nach Funktionsklassen, sondern vielmehr nach dem Kriterium der Kategorien jener Lebensmittel, denen sie zugesetzt werden dürfen, erstellt.

Aus rechtlicher Sicht ergibt sich daraus, dass allein die Einreihung eines Zusatzstoffes in eine bestimmte Klasse – z.B. in die Klasse 200 bis 297 bzw. in die Klasse 300 bis 392 – noch keinen hinreichenden Nachweis dafür bildet, dass diesem Stoff beispielsweise auch tatsächlich eine (vorwiegend) konservierende bzw. (vorwiegend bloß) antioxidierende Wirkung zukommt, oder bzw. kurz: Einer E‑Nummer kommt (generell und auch insoweit) bloß Indizwirkung zu.

Vor diesem Hintergrund hat die AGES über (neuerliche) Aufforderung des LVwG Oberösterreich im Grunde nicht selbst Stellung genommen, sondern mit e-mail vom 16. März 2016 vielmehr auf eine Literaturstelle hingewiesen; aus dieser ergibt sich, dass Kaliummetabisulfit sowohl antioxidierende als auch konservierende Wirkung hat und dieser Stoff im Besonderen ab einer Menge zwischen 0,025 g/kg (= 25 mg/kg) und 0,3 g/kg (= 300 mg/kg) zur Konservierung geeignet ist (vgl. R. Ebermann – I. Elmadfa, Lehrbuch Lebensmittelchemie und Ernährung, 2. Aufl. [2011], S. 615 und dazu näher oben, I.13.).

Daraus folgt insgesamt, dass der im verfahrensgegenständlichen Produkt vorgefundenen (Durchschnitts-)Menge an Kaliummetabisulfit von 99,5 mg/kg (= 0,0995 g/kg) – weil dieses Quantum innerhalb der für diese Zwecksetzung als lebensmittelchemisch geeignet angeführten Bandbreite liegt – (nicht nur eine antioxidierende, sondern auch) eine konservierende Wirkung zukam, wenngleich dadurch (zumindest im Durchschnitt) der gemäß Anhang II Teil E der VO 1333/2008 für die Kategorie „04.2.2. Obst und Gemüse in Essig, Öl oder Lake“ festgelegte höchstzulässige Grenzwert von 100 mg/kg nicht überschritten wurde und erst recht keine Gesundheitsgefährdung zu befürchten war.

Im Ergebnis erweist sich somit die auf dem Etikett der Verpackung enthaltene Angabe „Ohne Konservierungsmittel“ jedenfalls als sachlich unrichtig.

Zugleich war diese aber auch geeignet, Verbraucher in die Irre zu führen, weil bei Zugrundelegung eines durchschnittlichen Konsumenten als Maßstab realistischerweise nicht erwartet werden kann, dass dieser erkennt, dass die Auslobung „Ohne Konservierungsmittel“ durch den gleichzeitig am Etikett angebrachten Hinweis, dass im verfahrensgegenständlichen Lebensmittel auch ein Antioxidationsmittel enthalten ist, entsprechend relativiert bzw. konkret: nicht bloß neutralisiert, sondern sogar ins Gegenteil verkehrt wird. Denn einem durchschnittlichen Verbraucher ist schon nicht zusinnbar, zu wissen bzw. zu erkennen, dass einem spezifischen Antioxidationsmittel – hier: „E 224“ (= „Kaliummetabisulfit“) – ab einem bestimmten Quantum zugleich auch eine konservierende Wirkung zukommt, und erst recht nicht, ab welcher Konzentration ein derartiger Effekt eintritt.

Da ein durchschnittlicher Verbraucher die Angabe „Ohne Konservierungsmittel“ in Verbindung mit dem gleichzeitigen Hinweis „Antioxidationsmittel“ vielmehr dahin versteht, dass ein solches Lebensmittel keinerlei chemische Konservierungsstoffe enthält, liegt insgesamt besehen also ein tatbestandsmäßiges Verhalten im Sinne des § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG i.V.m. § 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG vor: Denn die Angabe „Ohne Konservierungsmittel“ in Verbindung mit „Antioxidationsmittel: E 224“ ist insgesamt besehen nicht geeignet, eine Irreführung durchschnittlicher Verbraucher darüber, dass der von ihnen erworbene „Karfiolsalat“ tatsächlich nicht die Eigenschaft hat, frei von jeglichen Konservierungsstoffen zu sein (sondern dass das Antioxidationsmittel „Kaliummetabisulfit“ hier in einer Konzentration vorhanden ist, der konservierende Wirkung zukommt), verlässlich hintanzuhalten. (LVwG OÖ vom 15.04.2016, LVwG-000130/17/Gf/Mu)