Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 dahin auszulegen ist, dass für die Feststellung, ob eine „Anspielung“ im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, auf die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfasst der Begriff „Anspielung“ eine Fallgestaltung, in der der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer geschützten Bezeichnung in der Weise einschließt, dass der Verbraucher durch den Namen des Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu dem Erzeugnis herzustellen, das diese Bezeichnung trägt (vgl. in Bezug auf Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 Urteil Bureau national interprofessionnel du Cognac, C 4/10 und C 27/10, EU:C:2011:484, Rn. 56; vgl. auch in Bezug auf Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EWG] Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel [ABl. L 208, S. 1] Urteile Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C 87/97, EU:C:1999:115, Rn. 25, und Kommission/Deutschland, C 132/05, EU:C:2008:117, Rn. 44).

Zwar nimmt Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 nicht ausdrücklich Bezug auf den Begriff „Verbraucher“. Aus der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung geht jedoch hervor, dass nach Auffassung des Gerichtshofs zur Feststellung des Vorliegens einer „Anspielung“ im Sinne dieser Vorschrift das nationale Gericht nicht nur zu prüfen hat, ob der zur Bezeichnung des fraglichen Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer geschützten Bezeichnung in dieser Weise einschließt, sondern auch, ob der Verbraucher durch den Namen des Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu dem Erzeugnis herzustellen, das diese Bezeichnung trägt. Das nationale Gericht muss sich also hauptsächlich auf die Reaktion stützen, die der Verbraucher hinsichtlich des für die Bezeichnung des fraglichen Erzeugnisses verwendeten Ausdrucks vermutlich zeigen wird, wobei es vor allem darauf ankommt, dass er gedanklich einen Bezug zwischen dem Ausdruck und der geschützten Bezeichnung herstellt.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der geografischen Angaben durch Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008 gewährte Schutz im Hinblick auf den Zweck auszulegen ist, der mit der Eintragung dieser Angaben verfolgt wird, nämlich, wie sich aus dem 14. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, Spirituosen als Erzeugnisse eines bestimmten Gebiets zu kennzeichnen, wobei eine bestimmte Qualität, ein bestimmter Ruf oder andere Merkmale der Spirituose im Wesentlichen ihrem geografischen Ursprung zugeordnet werden können (Urteil Bureau national interprofessionnel du Cognac, C 4/10 und C 27/10, EU:C:2011:484, Rn. 47).

Für die Beurteilung der Frage, ob ein für ein Erzeugnis verwendeter Ausdruck geeignet ist, im Sinne von Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 auf eine geschützte Bezeichnung anzuspielen, ist ebenfalls ein solches auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruhendes Kriterium anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteil Estée Lauder, C 220/98, EU:C:2000:8, Rn. 28).

Im Übrigen ist in Bezug auf den Zweifel, den das vorlegende Gericht im Rahmen der Beurteilung des Begriffs „Anspielung“ im Sinne von Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 der Bedeutung des Umstands beimisst, dass die Bezeichnung „Verlados“ auf den Ort der Herstellung des im Ausgangsverfahren fraglichen Erzeugnisses Bezug nimmt, den der finnische Verbraucher kenne, daran zu erinnern, dass Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 die in Anhang III dieser Verordnung eingetragenen geografischen Angaben im gesamten Hoheitsgebiet der Union gegen jede „Anspielung“ schützt. Hinsichtlich der Notwendigkeit, dort einen effektiven und einheitlichen Schutz dieser geografischen Angaben zu gewährleisten, ist mit der italienischen Regierung und der Kommission davon auszugehen, dass der Begriff „Verbraucher“, auf den die oben in Rn. 21 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung verweist, auf den europäischen Verbraucher und nicht nur auf den Verbraucher des Mitgliedstaats abstellt, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte geografische Angabe führt.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 dahin auszulegen ist, dass bei der Beurteilung, ob eine Anspielung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, das nationale Gericht auf die Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen hat, wobei dieser Begriff dahin zu verstehen ist, dass er auf einen europäischen Verbraucher und nicht nur auf einen Verbraucher des Mitgliedstaats abstellt, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte geografische Angabe führt.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 dahin auszulegen ist, dass für die Beurteilung, ob die Bezeichnung „Verlados“ im Sinne dieser Vorschrift eine „Anspielung“ auf die geschützte geografische Angabe „Calvados“ für entsprechende Erzeugnisse darstellt, nicht nur die klangliche und visuelle Ähnlichkeit zwischen diesen Bezeichnungen, sondern auch das Vorliegen von Umständen zu berücksichtigen ist, die für eine Benutzung der Bezeichnung „Verlados“ sprechen könnten, die nicht geeignet ist, den finnischen Benutzer zu täuschen.

Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Bedeutung den Umständen beizumessen ist, dass erstens der Anfangsteil der Bezeichnung „Verlados“ dem Namen des finnischen Dorfes Verla entspricht und der finnische Verbraucher diesen Namen möglicherweise kennt, zweitens der Bestandteil „Verla“ auf die das Getränk „Verlados“ herstellende Gesellschaft Viiniverla hinweist, drittens dieses Getränk ein lokal hergestelltes und in kleinen Mengen verkauftes Erzeugnis darstellt und viertens die Begriffe „Verlados“ und „Calvados“ nur eine einzige Silbe gemeinsam haben, aber die letzten vier Buchstaben dieser Wörter und damit jeweils die Hälfte aller ihrer Buchstaben übereinstimmen.

Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass bei Erzeugnissen, die ähnlich aussehen, davon ausgegangen werden kann, dass eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung vorliegt, wenn die Verkaufsbezeichnungen eine klangliche und visuelle Ähnlichkeit aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteile Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C 87/97, EU:C:1999:115, Rn. 27, Kommission/Deutschland, C 132/05, EU:C:2008:117, Rn. 46, und Bureau national interprofessionnel du Cognac, C 4/10 und C 27/10, EU:C:2011:484, Rn. 57).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt eine solche Ähnlichkeit offensichtlich vor, wenn der für die Bezeichnung des fraglichen Erzeugnisses verwendete Begriff auf die beiden gleichen Silben endet wie die geschützte Bezeichnung und die gleiche Silbenzahl wie diese umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C 87/97, EU:C:1999:115, Rn. 27).

In Bezug auf die visuelle und klangliche Ähnlichkeit der Bezeichnungen „Verlados“ und „Calvados“ hat das vorlegende Gericht zu berücksichtigen, dass sie beide aus acht Buchstaben bestehen, wobei die letzten vier identisch sind, und dass sie dieselbe Silbenzahl und die gleiche Endsilbe „dos“ haben, was ihnen eine gewisse visuelle und klangliche Ähnlichkeit verleiht.

Schließlich kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs selbst dann eine „Anspielung“ vorliegen, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den betroffenen Erzeugnissen besteht (Urteile Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C 87/97, EU:C:1999:115, Rn. 26, und Kommission/Deutschland, C 132/05, EU:C:2008:117, Rn. 45), da es vor allem darauf ankommt, dass beim Publikum keine Assoziationen hinsichtlich des Ursprungs des Erzeugnisses hervorgerufen werden und es einem Wirtschaftsteilnehmer nicht ermöglicht wird, in unberechtigter Weise vom Ansehen der geschützten geografischen Angabe zu profitieren (vgl. in diesem Sinne Urteil Bureau national interprofessionnel du Cognac, C 4/10 und C 27/10, EU:C:2011:484, Rn. 46).

Art. 16 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 ist dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung, ob eine Anspielung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, das nationale Gericht auf die Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen hat, wobei dieser Begriff dahin zu verstehen ist, dass er auf einen europäischen Verbraucher und nicht nur auf einen Verbraucher des Mitgliedstaats abstellt, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte geografische Angabe führt.

Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 ist dahin auszulegen, dass das vorlegende Gericht für die Beurteilung der Frage, ob die Bezeichnung „Verlados“ im Sinne dieser Vorschrift eine „Anspielung“ auf die geschützte geografische Angabe „Calvados“ für ähnliche Erzeugnisse darstellt, die klangliche und visuelle Ähnlichkeit zwischen diesen Bezeichnungen sowie etwaige Umstände berücksichtigen muss, die darauf hinweisen könnten, dass eine solche Ähnlichkeit nicht auf Zufall beruht, um zu prüfen, ob der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige europäische Durchschnittsverbraucher durch den Namen eines Erzeugnisses dazu veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu einem Erzeugnis mit der geschützten geografischen Angabe herzustellen.

  1. Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 ist dahin auszulegen, dass die Benutzung einer Bezeichnung, die im Sinne dieser Vorschrift als „Anspielung“ auf eine in Anhang III der Verordnung angeführte geografische Angabe qualifiziert wird, selbst dann unzulässig ist, wenn jegliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden kann. (EuGH vom 21.01.2016, C-75/15, Viiniverla Oy gegen Sosiaali- ja terveysalan lupa- ja valvontavirasto)