Vermutung gem. Art 14 Abs 6 EG-BasisVO Abstellungsaufforderung eines Lebensmittelaufsichtsorganes nicht zustellpflichtig

Im Mittelpunkt des EU-Lebensmittelrechts steht die Lebensmittelsicherheit. Besteht Grund zur Annahme, dass Lebensmittel gesundheitsschädlich sind, dürfen diese nicht in Verkehr gebracht werden (Art 14 I der Verordnung (EG) Nr 178/2002 - EGBasisVO). Ausdruck dieses Grundsatzes ist ua die in Art 14 Abs 6 EG-BasisVO enthaltene (widerlegbare) Vermutung, nach der die gesamte Charge eines Lebensmittels als nicht sicher gilt, wenn ein zu dieser Charge gehörendes Lebensmittel nicht sicher ist, es sei denn es wird bei eingehender Prüfung kein Nachweis gefunden, dass der Rest der Charge nicht sicher sei. Demnach sollen Lebensmittel, die dem Anschein nach gleichen schädlichen Einflüssen oder Behandlungen ausgesetzt waren, bis zum Nachweis des Gegenteils gleich behandelt werden. War im vorliegenden Fall Beanstandungsgrund das Vorhandensein von Steinchen und Lehmkörnern in drei von drei untersuchten Packungen, konnten die Verwaltungsorgane vertretbarerweise davon ausgehen, dass dieser Beanstandungsgrund auf die gesamte Charge zutrifft. Sie konnten sich nicht auf die Möglichkeit verlassen, der Verbraucher werde selbst die Steinchen erkennen und aussortieren. Dass die Steinchen vulkanischen Ursprungs sind und sich bei der Zubereitung (Kochen in Wasser) auflösen, steht nicht fest. Auch mit dem Hinweis, bei unverarbeiteten Biolebensmitteln seien Fremdkörper nie 100%ig auszuschließen, wird die Unvertretbarkeit der Anwendung der sich aus Art 14 Abs. 6 EGBasisVO ergebenden Vermutung nicht dargelegt. Das Verhalten der Organe der beklagten Partei findet seine Rechtsgrundlage in § 39 Abs. 2 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes BGBl 13/2006 idF. BGBl 24/2007 (LMSVG). Nach dieser Regelung kann das Aufsichtsorgan vor Erlassung eines Bescheids den Lebensmittelunternehmer auffordern, Verstöße abzustellen. Da die Aufforderung kein (bekämpfbarer) Bescheid ist, ist eine Zustellung an den Lebensmittelunternehmer nicht notwendig. (OGH vom 06.07.2010, 1Ob86/10v)